Songs & Stories.

Auf dieser Seite finden Sie Hintergrundwissen zum jeweiligen Jazz-Standard. Der Seiteninhalt wird sukzessive erweitert. Also schauen Sie gerne immer mal wieder rein …

 

Ain`t Misbehavin`

1929; Music: Fats Waller / Harry Brooks; Text: Andy Razaf

Ain`t mis Louis cover 400 192Verlag: Anne-Rachel  Music Corp. / Mills Music Corp. / Razaf Music (ASCAP)

Mitte des Jahres 1929 kam Louis Armstrong nach New York. Das Connie`s Inn, nach dem Cotton Club die Nummer 2 unter Harlems Showlokalen, engagierte ihn für eine kleine Zwischenakt-Einlage in der Nachtrevue HOT CHOCOLATE. Die Revue widerrum wurde so erfolgreich, daß sie an den Broadway verlegt wurde und die Presse den Durchbruch der schwarzen Kultur feierte: „The Negro has arrived“.
Armstongs Feature, das zunächst nur als Reprise der Erkennungsmelodie gedacht war, fand so viel Anklang, daß er aus dem Orchestergraben steigen, seinen Part auf der Bühne ableisten und auch noch in einer Trio-Nummer mitmachen musste. Nach der Broadway-Show gab er dann seinen Bandauftritt in Connie`s Inn und oft danach noch im daneben gelegenen Lafayette Theater. Einen besseren Einstieg in seine New Yorker Karriere konnte er sich kaum wünschen. Geschlafen, so erinnerte sich Armstrong später, habe er meist auf der Taxifahrt von Midtown nach Harlem.
„Ain`t Mishehavin`“ wurde Louis erster Plattenhit, gleichwohl der Titel erst in letzter Minute entstanden war. Der Revue HOT CHOCOLATE fehlte noch ein Theme Song. Andy Razaf schrieb den Text, der auf einem Lieblingsausspruch von Fats Waller basierte und dieser soll die Musik dazu innerhalb von gerade mal 45 Minuten erfunden haben – befeuert durch eine Flasche Whisky.
Der Song galt daher als eine Art Selbstportrait des „melancholischen Clowns“, Klaviervirtuosen und Jazz-Komponisten Fats Waller. Das fröhlich-traurige Bekenntnis eines Menschen, der brav allein zu Hause bleibt, Radio hört und seine Liebe für die Einzige aufspart.

 

All Of Me

1931; Music: Gerald Marks; Text: Saymour Simons; Verlag: Bourne 

All of me Billie Cover 400 192

An den Komponisten Gerald Marks erinnert man sich  nur noch wegen eines einzigen Standards „All Of Me“. Der Song stammt aus dem 1932 veröffentlichten Film „Careless Lady“, wurde allerdings erst in den 40-er Jahren ein beliebter Standard im Jazz.
Louis Armstrong führte den Titel durch seine Einspielung vom 25.01.1932 in den Jazz ein. Hier verfuhr er mit der Melodie nach Gutdünken und lies seinen gefühlsteifen, jedoch nicht schwermütigen Gesang mit dem strahlenden Glanz seiner Trompete kontrastieren.
Es war der Verdienst Billie Holidays, daß „All Of Me“ wirklich fest im Jazz etabliert wurde. Im Gegensatz zu vielen auch lustig, fröhlichen Interpretationen wie z.B. der von Frank Sinatra, nahm sie die Sehnsucht des Songtextes beim Wort.  Ihre Aufnahme mit dem Eddie Heywoods Orchestra aus 1941  wirkt auch heute noch auf Nicht-Jazzer wie die Interpretation einer Sängerin, die die Melodie vergessen hat und weder Tonhöhe noch Tempo halten kann. Sich an keinerlei Konventionen gebunden fühlend, nahm die Sängerin zahlreiche Veränderungen an der Melodie vor.

 

Autumn Leaves (Les Feuilles Mortes)

1947; Music: Joseph Kosma, Text: Jaques Prèvert (frz), Johnny Mercer (engl.)

Autumn Leaves Adderley daivs 400 192Verlag: Enoch et Chie., Editeurs des Musique / Ardmore Music Corp.

„Les Feuilles Mortes“  fand unter allen Songs, die ihren Siegeszug als französische Chansons antraten die größte Verbreitung im Jazz. Man man kann Stundenlang darüber referieren wer und wie, wo und wann diesen Titel auf eigene und besondere Weise interpretiert hat, so viele Künster haben sich seiner angenommen. Selbst in Musikstudiengängen bietet der Song Stoff für lange Improvisiationsarbeit.
In fast allen Jazzfassungen gingen dem Song leider zwei wesentliche Elemente des Chansons verloren: der einleitende Vers (ohne den man jede französische Interpretation als unvollständig erachten würde) und die Worte des Dichters Jaques Prèvert. Prèvert beschrieb hier die „toten“ Blätter des Herbstes, die die Erinnerung an eine alte Liebesgeschichte wecken, die widerrum Gegenstand des Refrains ist. Zwei Menschen liebten sich und lebten zusammen („aber das Leben trennt die, die sich lieben, ganz leise, ohne Lärm; und das Meer verwischt im Sand die Spuren der getrennten Liebenden“). Die Trennung wurde poetisch und angenehm unweinerlich mit nur unterschwelliger Nostalgie eingefangen. Anders als die englische Fassung von Johnny Mercer, die die Sehnsucht eines soeben Verlassenen schildert.

 

Bye Bye Blackbird

1926; Music: Ray Henderson, Text: Mort Dixon; Verlag: Warner Bros., Inc.

Bye Bye Blackbird Coltrane 400 192

Ray Hendersons Melodie aus den Anfängen der Broadway-Glanzzeit mutet eher kinderliedhaft an. Ein schlichter, ungekünzelter und gerade deshalb auch auf unbestimmte Weise bewegender Song von einem, der schweren Herzens fortziehen muss.
Für die Ansprüche der Jazz-Musiker schien der Song zu einfach zu sein, denn 30 Jahre lang wurde er links liegen gelassen.
Dies änderte sich schlagartig, als Miles Davis den Titel am 05.06.1956 mit seinem Quintett (John Coltrane, Red Garland, Paul Chambers, Philly Joe Jones) aufnahm.  Mit dieser Aufnahme machte Miles aus einem alten, vergessenen Gassenhauer einen Klassiker des modernen Jazz, der insbesondere im Mainstream heimisch wurde.
Das kleine schlichte Vogellied findet auch unter den heutigen Musikern seine Anhänger, wie Aufnahmen von Til Brönner, Jacky Terrasson und anderen zeigen. Kompositorische Raffinesse ist eben nicht alles.

 

Corcovado (Quiet Nights Of Quiet Stars)

1960; Music und Text: Antonio Carlos Jobim, Text (engl.): Gene Lees

Corcovado Sinatra Jobim 400 192Verlag: Duchess Music Corp. (BMI)

Bei Corcovado geht es, was die Musik, aber auch was die Wortwahl -insbesondere im englischen Text- angeht, sehr leise zu. Es wundert daher nicht, dass Frank Sinatra bei der Aufnahme-Session zur Platte Sinatra/Jobim meinte: „Seit meiner Kehlkopfentzündung habe ich nicht mehr so behutsam gesungen“. Diese Einspielung gilt als eine der gelungensten Aufnahmen des Titels.
Wüßte man nicht, daß Jobim den Song beim nächtlichen Blick aus dem Fenster schrieb, müßte man sich wirklich fragen, wie einem derartig leise Assoziationen ausgerechnet zum Corcovado einfallen können. Denn der „Zuckerhut“, wie der Berg Corcovado in Rio den meisten geneigten Lesern bekannt sein dürfte, ist sicherlich kein ganz so lauschiges Plätzchen.
Stan Getz, der die Bossa Nova weltweit populär machte, hat Corcovado gleich zweimal zusammen mit brasilianischen Musikern aufgenommen. Der Song war eines von zwei Stücken mit der Sängerin Astrud Gilberto auf dem legendären Album Getz/Gilberto: Ihr damaliger Ehemann Joào Gilberto sang den Orginaltext, sie die englische Strophe. Keine Woche später war Getz mit dem brasilianischen Gitarristen Laurindo Almeida im Studio und nahm eine wunderschön relaxte Instrumentalversion auf.

 

Don`t Get Around Much Anymore

1940; Music: Duke Ellington; Text: Bob Russell; Verlag: EMI Robbins 

Don`t get around much cover 400 192

Seinen Anfang nahm das Stück als Instrumentalnummer namens „Never No Lament“. Dieser Titel verrät schon ein wenig die Stimmung. Eine Mischung aus Trotz und Traurigkeit, aus gespieltem Zynismus und romantischem Kummer.
Genau diese Stimmung hat Bob Russel zwei Jahre später in seinem Text eingefangen. „Don`t get Around Much Anymore“ (etwa: Ich gehe kaum mehr fort) ist die Klage eines verlassenden Liebenden, für den die üblichen Partys – ohne den geliebten Partner – ihren Sinn verloren haben.
Russels Text hat die Nummer zum populären Schlager gemacht, der heute zu den unverwüstlichen, saloppen “Schlachtrössern“ des Jazz gehört. Melancholische Swing-Nummer, fetter Big-Band-Glamour, erdiger Hardbop, sanfter Cool-Jazz: „Don`t Get Around Much Anymore“ kann alles sein. Ellington und seine Mannen spielten es in jeder beliebigen Besetzung.

 

Embraceable You

1930; Music: George Gershwin; Text: Ira Gershwin; Verlag: New World Music 

Embraceable You Cole Cover 400 192

1928 arbeiteten die Gershwin-Brüder an einer Operette namens „East Is West“ und schrieben dafür den Song „Embraceable You“. Doch urplötzlich begeisterte sich der Produzent für ein ganz anderes Projekt und die Operette wurde nie vollendet.
Zum Glück fanden die Brüder in einer ihrer nächsten Shows einen Platz für den verwaisten Song. Allen Kearns und Ginger Rogers sangen „Embraceable You“ bei der Uraufführung der „Show Girl Crazy“ am 14.10.1930. Dass der Song nur der zweitgrößte Hit der Produktion wurde, daran war Ethel Merman schuld, deren Interpretation von „I Got Rhythm“ ein persönlicher Karriere-Durchbruch war. Dennoch gehört „Embraceable You“ zu den unantastbaren Gershwin-Heiligtümern. Zu den meistgespielten Gershwin-Songs – als eine in Töne gehauene Skulptur gehobener Sentimentalität.
Zur besonderen Pointe wurde im Song die Phrase „Come To Papa, Come To Papa, Do“. Sie machte ihn zur Lieblingsnummer von “Papa” Gershwin, dem Vater der Autoren.
Die bewegende Schlichtheit der Melodie und die verblüffende Wirkung des Textes hievten den Song ins Repertoire fast aller großen Jazz-Vokalisten. Kaum eine Ballade wurde so vielseitig gedeutet: Sie findet man als Tribute an Charlie „Bird“ Parker für den Bebop, in Blues-Programmen, im Dixieland- und Gypsy-Swing-Repertoire und sogar auf dem revolutionären Speisezettel des Free Jazz.
Der Broadway bewährte sich einmal mehr als Durchfahrtsstraße zu  ewigem Jazz-Ruhm.

 

Fly me to the moon

1954; Music und Text: Bart Howard; Verlag: Almanac Music (ASCAP)

Fly me to the moon Harnell cover 400 192

Kaum ein Song erreicht die Popularität von „Fly me to the moon“. Der Lovesong wurde in den 60-er Jahren vor allem durch Frank Sinatra zum festen Bestandteil des jazzigen Repertoires und ist das Paradebeispiel für einen Jazz-Standard, hinter dessen Bekanntheit Komponist und Texter fast vollkommen verschwunden sind.
Der als Howard Joseph Gustafson geborene Komponist kam 1938 in die USA. In New York lernte er die legendäre schwarze Sängerin Mabel Mercer kennen, die mit ihrer Interpretationskunst als ein „singers` singer“ Größen wie Nat King Cole und Lena Horne prägte. Als Frank Sinatra den „Mabel-Mercer-Award“ entgegennahm, sagte er: „Mabel Mercer brachte mir alles bei, was ich weiß. Sie ist die beste Musiklehrerin der Welt“.
„Fly Me To The Moon“, ursprünglich ein Walzer, machte nur mit Verzögerung Karriere. Er wurde zum ersten Mal 1954 von Kaye Ballard und 1956 von Chris Connor aufgenommen. Allerdings kam er erst auf dem Höhepunkt der Bossa-Nova-Welle im Jahr 1963 durch eine instrumentale Version des Pianisten Joe Harnell in die Top 40 – von wo an es kein Halten mehr gab.
Aus der Fülle der Vokal-Aufnahmen ragen drei heraus: Nat King Cole, Tony Bennett und die Frank Sinatras. Nat King Cole lieferte Anfang der 60-er Jahre sozusagen die Velours-Fassung des Songs: Auf schmachtende Streicher und pastellig hingetupfte Klavierakkorde gebettet, singt Cole die ganze samtweiche Wärme seiner Stimme aus. Sehr viel dramatischer hingegen war die Fassung von Tony Bennett, die Bart Howards Ansicht die definitive Version seines Songs sei. Kaum ein anderer hat das „Great American Songbook“ so geprägt wie Frank Sinatra. Arrangeur Quincy Jones setzte 1964 für das Album „It Might As Well Be Swing“ auf den knackigen Swing der Basie-Band und den unromantischeren Realismus Sinatras. Der Titel liegt in der Kombination Sinatra/Jones/Basie auch auf einem Album vor, das viele für eine der besten Live-Platten überhaupt halten: „Sinatra At The Sands“.

 

Lullaby Of Birdland

1952; Music: George Shearing; Text: B.Y. Forester; Verlag: Patricia Publishers Corp. 

Lullaby Shearing Cover

Der blinde Pianist George Shearing hatte sich schon in England einen Namen als eleganter Swing-Musiker gemacht, als er 1947 in die Staaten kam. Sein entspannt swingendes Quintett – mit Klavier, Vibrafon und Gitarre – vermittelte auf einflussreiche Weise zwischen Modern Jazz und gepflegter Unterhaltungsmusik. Den größten Hit erzielte das Quintett mit dem 1952 eingespielten „Lullaby Of Birdland“.
Der Song wurde dem 1949 eröffneten New Yorker Jazzclub „Birdland“ gewidmet. Der Club übrigens wurde  nach Charlie „Bird“ Parker benannt, der dort sogar zeitweilig Auftrittsverbot hatte, aber dazu an andere Stelle.
Da „Lullaby Of Birdland“ im Club als Erkennungsmelodie diente, findet er sich auf zahlreichen Live-Mitschnitten, die entweder im Birdland entstanden oder von Tourbands mit dem Namen „Birdland All Stars“ stammen (mit Größen wie Count Basie, Charlie Parker, Lester Young, Sarah Vaughan).
Das Shearings Song bald ein Schlager wurde, verdankt er seiner eingängigen Melodie und dem Text, der weniger mit dem Jazzlokal, als viel mehr mit dem Thema Liebe zu tun hat. Diese wird in Naturbildern beschworen: Turteltäubchen stehen für die „magische Musik küssender Lippen“, eine Trauerweide für das Weinen der ja nicht zu Verlassenden. Das „Birdland“ ist hier wohl nur eine Art imaginäres Liebesnest im siebten Himmel.
Maßgeblich am Erfolg des Songs beteiligt waren Vokalinterpretationen von Ella Fitzgerald und Sarah Vaughan. Schon während Ellas Europatournee 1952 wollte das Publikum den Song hören, den ihr Manager Norman Granz jedoch nicht ausstehen konnte. „Ich hatte mir fest vorgenommen Lullaby zu singen, doch Norman folgte mir auf die Bühne, setzte sich aufs Podium und verbot den Musikern weiterzuspielen“, so Ella. Aufgenommen hat sie den Titel 1954 trotzdem.

 

Mac The Knife (Die Moritat vom Mackie Messer)

1928/54; Music: Kurt Weill; engl.Text: Marc Blitzstein (nach Berthold Brecht); Verlag: Harms Inc.

Mack the knife Sinatra Cover 400 192

Der berühmteste Song aus der Dreigroschenoper, der die Namen Brecht und Weill weltbekannt machte, verdankt seine Existenz der Eitelkeit eines Schauspielers am Berliner Theater am Schiffbauerdamm. Harald Paulsen, ein Operettenstar und Frauenliebling, bestand darauf, auch in der Rolle des Furcht erregenden Finsterlings Macheat noch den Charmeur herauszukehren und einen Maßanzug mit blauer Schleife zu tragen. Schließlich kapitulierte Brecht vor Herrn Paulsens Eitelkeit, wollte aber gegen die süßliche Erscheinung das Finstere des Gangsters Macheath stärker betont wissen. Weill und Brecht haben ihn daher mit einer Moritat eingeführt, einem Bänkelgesang also, der seine Schandtaten besingt. Praktisch über Nacht entstand so „Die Moritat vom Mackie Messer“ als Introduktion ins Milieu der Bettler, Diebe und Huren von Soho.
Die träge Melodie unter „und der Haifisch, der hat Zähne“, kommt wie eine authentische Leierkastenmelodie daher. Weill behauptete die Musik sei ihm in der rumpelnden Straßenbahn eingefallen. Übrigens vertonte er nur sechs der neun Strophen, die Brecht geschrieben hatte, und dieser dichtete bei späteren Gelegenheiten immer wieder neue Zeilen hinzu.
In den USA war die Dreigroschenoper zunächst ein eklatanter Mißerfolg. Erst nach Weill`s Tod (1950) wurde dort sein europäisches Wert „entdeckt“. Marc Blitzstein übersetzte die gesamte Oper noch einmal. Sein Text „Oh the shark has pretty teeth, dear“ schuf die Voraussetzungen dafür, daß der Song ab 1954 zum internationalen Jazz-Hit wurde.
Frank Sinatra, durch Mafia-Kontakte im Millieu erfahren, zelebrierte „Mack The Knife“ jahrzehntelang mit allem Broadway-Glamour. Das monotone Bänkellied vom Gangster, dem man`s nicht ansieht, ist auch im Jazz unsterblich geworden – und das alles nur dank Herrn Paulsens blauer Schleife.

 

Manhà De Carnaval (Black Orpheus, A Day In A Live Of A Fool, Morning Of The Carnival)

1959; Music: Luiz Bonfà,  Portugiesischer Text: Antonio Maria; engl. Text: Carl Sigman

Black Orpheus Cover 400 192Verlag: France-Vedette / Chapell & Co., Inc. (ASCAP)

„Manha De Carnaval“ blieb im Gegensatz zu vielen Soundtracks immer eng mit dem Film verbunden, dessen Erkennungsmelodie es war und mit dem neuen Stil, der durch diesen Film weltweit Furore machte: Orfeu Negro und die Bossa Nova.
Der Stoff erzählt die Geschichte von Orfeu, einem Barden, der auf der Suche nach der toten Euridice in ein afrobrasilianisches Macumba-Ritual gerät. Dort verliert er die Geliebte vollends, da er der Wahrheit des Hörens nicht traut, sondern sich sehend vergewissern will.
Für die Filmadaption des ursprünglichen Theaterstückes benötigte man von den beiden Komponisten noch einige neue Stücke.  Drei Songs begründeten den Erfolg des Streifens: „Manhà Da Carnaval“, Samba De Orfeu“ (beide von Bonfà) und „A Felicidade“ (von Jobim). Dabei hatte Regisseur Marcel Camus „Manhà“ zunächst abgelehnt. Bonfà präsentierte darauf hin zwar zunächst eine Alternative, konnte später jedoch seinen Erstvorschlag durchsetzen.
„Manhà“ wurde zum Klassiker des Easy Listening und von so unterschiedlichen Interpreten aufgenommen wie Frank Sinatra, Placido Domingo und Quincy Jones, von Stan Getz, dem Gerry-Mulligan-Sextett, vom Paul-Desmond-Quartett oder vom Trio Bola Sete (einem Brasil-Gitarristen).

„So ein schöner Morgen bringt ein neues Lied in mein Leben. Aus den Saiten meiner Gitarre erklingt eine Stimme, die von deinen Küssen singt“

 

Misty

1955; Music: Erroll Garner; Text: Johnny Burke; Verlag: Vernon Music Corp. 

Misty Cover Mathis 400 192

“Misty” gehört zu den liebenswerten und zeitlosen Melodien im Standard-Repertoire des Jazz. Entstanden ist das Stück, so erzählte Garner, 1954 auf einem Flug von San Francisco nach Chicago angesichts eines wunderschönen Regenbogens. Wegen einer Zwischenlandung in Denver flog die Maschine tiefer und geriet in eine Wetterzone mit Regen und Sonnenschein: Es bildete sich ein breiter Regenbogen, Tautropfen  hingen an den Flugzeugfensterscheiben, feine Regenvorhänge zogen vorüber – und diese visuellen Eindrücke verdichteten sich im Kopf des Passagiers Mr. Garner zur Nebel-Musik. Da Garner seine Melodien nicht notieren konnte (angeblich konnte er keine Noten lesen), setzte er schon im Flugzeugsessel seinen Einfall ins Pianistische um. „Ich hatte meine Augen geschlossen und spielte auf meinen Knien wie auf einem Klavier“. Die Dame neben ihm musste glauben, er wäre krank oder hysterisch, und bat die Stewardess sogar, ihm ein Beruhigungsmittel zu geben.
Der Sänger Johnny Mathis machte den Song von der Liebe, die den Verstand benebelt, noch im Jahr 1955 zum Hit – und eine lange Reihe großer Vokalisten versuchte dasselbe. Die Referenz-Interpretin ist freilich Ella Fitzgerald, die „Misty“ zwischen 1960 und 1966 sogar dreimal aufnahm. Die Jazz-Versionen des Stücks  gehen in die Hunderte.
„Misty“ wurde noch 1986 als eine der meistgespieltesten Kompositionen der amerikanischen Verwertungsgesellschaft  ASCAP ausgezeichnet.

 

The Girl From Ipanema (Garota de Ipanema)

1963; Music: Antonio Carlos Jobim; Text: Vinicius des Moraes (port.); Norman Gimbel (engl.)

The Girl from Ipanema Gilberto Cover 400 192Verlag: Vinicius de Moraes Music / Antonio Carlos Jobim Music.

Groß, schlank, jung und hübsch soll das Mädchen gewesen sein, das da den Strand von Ipanema entlang schlenderte. So grazil, als ob sie Samba tanzte, und alle, an denen sie vorüberkam, sagten nur: Aah! Nicht nur der Text, sondern auch die Musik hält das besondere Stranderlebnis fest: die kühle Laszivität dieser brasilianischen Schönheit, den federnden Rhythmus ihrer Schritte, die dösig-leichte Cocktailstimmung am Strand von Rio. Kühle, hypnotisierende Einfachheit ist das Grundprinzip.
Der Bossa-Nova ist entstanden als der Saxofonist Stan Getz 1963 auf den Sänger und Gitarristen Joào Gilberto traf, um zusammen mit ihm eine gemeinsame Platte zu machen. So wunderbar Gilbertos portugiesischer Gesang auch klang, Getz wußte daß die US-Hörer nur durch Texte zu rühren waren, die sie selber auch verstanden. Und obwohl Gilbertos Ehefrau Astrud keine professionelle Sängerin war, ließ er sie den englischen Part singen – mädchenhaft, sanft, kühl und mit reizendem Akzent. Für die Hörer was das Mädchen von Ipanema keine andere als Astrud Gilberto.
Das Album Getz/Gilberto wurde zum Riesenerfolg – zur meist verkauftesten Jazz-Platte aller Zeiten. Doch nicht Brasiliens Star Joào Gilberto wurde durch diesen Erfolg weltberühmt, sondern seine Frau, die Gelegenheitssängerin mit der kleinen Stimme, deren Name auf der Orginal-LP nicht einmal erwähnt war.
Kurz danach ließen sich die Gilbertos scheiden und Getz`Flirt mit der sanften Astrud war bald nicht nur musikalischer Natur. So viel zur enthemmenden Wirkung brasilianischer Rhythmen.
Die Aufnahme von 1963 darf in keinem Easy-Listening-Programm fehlen. Auch wenn sie hundertfach neu aufgenommen, gemixt, arrangiert, imitiert, remixt wurde  – die ungekünzelte Schlichtheit des Originals wurde bis heute nicht übertroffen. Und die Mädchen von Ipanema sollen noch immer genauso hübsch sein wie früher.

 

Quellen: Verve, The Sond of America; Jazz-Standards.Das Lexicon